Donnerstag, 19. März 2015

Von Medizin und Homöopathie und davon, keine Ahnung zu haben

In letzter Zeit geht das Thema „Impfkritik“ und Homöopathie immer wieder im Internet und in anderen Medien um. Wenn es um Homöopathie und um eine kritische Haltung dem Impfen gegenüber geht, darf natürlich der Hohn der Gegenseite nicht fehlen. Genüsslich und in grenzenloser Präpotenz macht sich die breite Masse über diese Haltungen her. Von naiv, leichtgläubig und verblendet zu unverantwortlich und schädlich für die Gemeinschaft - so werden Menschen dargestellt, die es wagen diese Haltung einzunehmen. Parallel dazu meint jeder Max Mustermann ihnen erklären zu können, dass sie an eine „total unwissenschaftliche“ These glauben. Und dann geht es los - von der Null-Moleküle-Lösung über den Placebo Effekt. Als (un)wissenschaftlich gilt, was man zuvor in Profil/ Spiegel, der Tageszeitung oder dem Magazin seiner Wahl gelesen hat. 

Ich frage mich - seit wann sind denn alle hier Wissenschafter? Seit wann wissen alle was medizinisch relevant ist und was als wissenschaftlich bewiesen gelten kann?
Ich bezweifele, dass sich irgendjemand, vor allem von jenen Mitbürgern, die am lautesten schreien und die anderen am wildesten beschimpfen, mit irgendwelchen wissenschaftlichen Anordnungen und Versuchen, die diverse Wirksamkeit (sowohl auf der alternativmedizinischen Seite als auch auf der Seite der westlichen Medizin) aufzeigen wollen, auseinandergesetzt haben.

Wenn Profil sagt, Homöopathie hat keine Wirkung und ist nicht „wissenschaftlich“ bewiesen, dann wird das ja wohl so sein. Und wenn es sagt, Impfen ist das einzig Wahre, dann muss das so stimmen. Alle Zweifler sind Idioten - leichtgläubige, Verschwörungstheorie liebende Narren.
Und nein, die Medizin hat sich ja noch nie geirrt… Ich will gar nicht mit dem Aderlass oder Bleibehandlungen aus dem Mittelalter anfangen, die sich auch irgendwann als überholt erwiesen. Um nur ein Beispiel zu nennen, dass fast jeder kennt, aber anscheinend „verdrängt“ wurde, wenn es um die „absolute Wahrheitspostulation“ der Medizin geht: Contergan. Ende der 50er Jahre wurde es schwangeren Frauen VERSCHRIEBEN. Die nahmen es nicht aus Unachtsamkeit oder Dummheit. Nein, die Ärzte verschrieben es ihnen weil es gegen Schwangerschaftsübelkeit half und als Beruhigungs- und Schlafmittel. Wie das ganze ausging ist ja allgemein bekannt: Nur falls es jemand vergessen hat, ich zitiere aus Wikipedia, "

Ende der 1950er-Jahre kam es zu einer zunächst unerklärlichen Häufung von Missbildungen Neugeborener. […] Dass die Schädigungen eine Folge des Wirkstoffs Thalidomid waren, wurde unabhängig voneinander in Deutschland, Großbritannien und Australien entdeckt. […] Die Firma Grünenthal reagierte zunächst nicht auf die Warnungen. Obwohl dem Stolberger Herstellerunternehmen 1961 bereits 1.600 Warnungen über beobachtete Fehlbildungen an Neugeborenen vorlagen, wurde Contergan nach wie vor vertrieben."

Ehrlich gesagt es ist mir egal, ob sich jemand impfen lässt oder nicht, ob jemand Antibiotika nimmt oder Globuli. Was mir aber nicht egal ist und mir regelmäßig den Blutdruck in die Höhe schlagen lässt ist die unglaubliche Rohheit, Willkür, Unreflektiertheit und Rechthaberei, die so manche über „Andersgläubige“ loslassen.

Und ich will diesen Menschen, die so extrem überzeugt sind von ihrer Meinung, einmal folgendes sagen: Ihr habt nicht recht! Ihr habt überhaupt keine Ahnung. Ihr plappert Dinge nach, ohne euch damit zu beschäftigen oder sie auch nur ansatzweise nachvollziehen zu können. Was ihr Wissen nennt, ist eine bloße Wiedergabe von Behauptungen.
Und um klar zu stellen, warum ich das sage: Es ist nicht, weil ich der gegenteiligen Meinung wäre, also die Gegenseite stärken will. Ich bin von keiner der beiden Seiten zu hundert Prozent überzeugt. Und ich glaube, dass beide Recht haben. Ich weiß aber außerdem, dass ich nichts weiß. So lange ich nicht selbst im Labor gestanden bin um eine Impfung herzustellen, solange ich Viren und Bakterien nicht selbst isoliert oder vermehrt habe, so lange ich noch keine wirklich ernstzunehmende Krankheit hatte, bei der mir entweder herkömmlich oder alternative Medizin wirklich geholfen hätte - so lange weiß ich nichts und habe keine Erfahrung. Und den meisten von euch geht es genauso! Ihr wisst einfach nichts!

Die Erfahrungen die ich hatte, beschränken sich auf ein paar Erkrankungen, bei der die westliche Medizin keinen Plan hatte, woran ich leide (und mir auch nicht helfen konnte) und die daher von selbst wieder verheilten, sowie ein paar Erkältungen,  Grippen und ein paar nicht erwähnenswerten Erkrankungen.

Ich kenne Menschen, denen Homöopathie deutlich und wirksam geholfen hat, und zwar nachdem sie beispielsweise schon wochenlang verschiedenste Antibiotika wirkungslos vom Arzt verschrieben eingenommen hatten. Ich frage mich: Wieso wirkte der Placebo Effekt nicht schon bei den Antibiotika? (Große Pillen sind doch Placebo Effekt fördernd.)Ich kenne Menschen, bei denen die Ärzte  schon Monate blutdrucksenkende Mittel ausprobieren, ohne irgendeinen Effekt zu erzielen und wo Homöopathie auch nichts half. Ich kenne eine Person, die sich durch alternative Behandlungsmethoden eine Herzoperation sparte (so unglaublich es klingt) und erfolgreich alternativ behandelt - man könnte sagen geheilt - wurde. Diese Person lehnte eine weitere Operation kategorisch ab, nachdem sie schon sehr schmerzhafte und traumatisierende Erfahrungen mit zwei erfolglosen chirurgischen Eingriffen hatte und die Einstellung hatte - ich sterbe lieber, als dass ich das noch einmal über mich ergehen lasse.
Und natürlich kenne ich auch jede Menge Fälle, die einfach irgendwelche Wehwehchen mit handelsüblichen Salben, Pillen etc. erfolgreich bekämpft haben. Auf der anderen Seite bekämpfen wiederum tagtäglich viele Menschen kleinere Krankheiten erfolgreich homöopathisch - auch davon wüsste ich konkrete Beispiele zu nennen.

Warum sollte ich also irgendeiner Seite mehr Glauben schenken als der anderen? Weil mir das „der standard“ sagt? Oder Profil? Weil ich von irgendwelchen Idioten sonst ausgelacht werde? Weil mir irgendwelche Selbst-Null-Ahnung-Habende weismachen wollen, sie wüssten was wissenschaftlich ist?

Ich glaube eine Mehrheit von gefühlten 99 Prozent erträgt es einfach schlicht und ergreifend nicht, sich einzugestehen, dass sie nichts wissen. Dass sie genauso gut daneben liegen könnten. Und daher dreschen viele immer und immer wieder auf jene ein, die etwas anderes glauben. Ja, glauben trifft es auf beiden Seiten ganz gut, denn glauben heißt nichts wissen und daher wird dieses glauben zu einem Glauben und zu fanatischem Recht-haben-wollen.

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